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Antworten von Hannes Rockenbauch auf die Fragen der Kommunalen Stadtwerke e.V.

Stuttgart, 14.09.2012

1. Frage
Noch ist die Energiewende nicht vollzogen und bekanntlich ist Papier sehr geduldig. Beim Primärenergieverbrauch, also auch bei der Erzeugung und Nutzung von Wärme, Kälte, Treibstoffen oder in der Landwirtschaft ist Deutschland immer noch ein fossiler Großverbraucher. Ausserdem findet eine Renaissance der Atomenergie und der Kohlekraft, nicht nur in Europa sondern auch in der globalen Energieerzeugung statt. Die Macht der fossil-atomaren Energiekonzerne ist erst dann gebrochen, wenn diese marktdominierenden und kartellartigen Strukturen aufgebrochen sind. Am besten eignen sich dazu kommunale Stadtwerke, für die ich seit Jahren kämpfe.
Die gesetzlichen Regelungen nach dem EEG bieten Investitions- und Rechtssicherheit für die Erzeuger regenerativer Energie. Wichtig ist deshalb, dass die kommunalen Stadtwerke jetzt verstärkt als Motoren für die Energiewende auftreten und Geld in erneuerbare Energieerzeugungsanlagen geben. Die Stadtwerke Stuttgart können dabei insbesondere in die Onshore-Windenergie in der Region einsteigen, sobald die Änderung des Regionalplans vollzogen ist. Ausserdem kann auf Stuttgarter Gemarkung mit der Nutzung von Bioabfall und durch Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen als Ersatz für die typische Gasetagenheizung effizient und Vor-Ort Energie und Wärme erzeugt und genutzt werden. Die Stadtwerke sind das zentrale Instrument um in Stuttgart tatsächlichen Einfluss auf die Energiepolitik zurückzugewinnen. Als CDU, SPD, Grüne, FDP und Freie Wähler 2002 die Stadtwerke an die EnBW verkauften, verlor die Stadt jeglichen kommunalen Einfluss. Nun drehen wir mit dem großen Engagement der Initiativen und der Unterstützung der Bürgerinnen und Bürger die Schraube zurück. Das Bürgerbegehren hat dabei seine Wirkung nicht verfehlt.
Die beste Energiepolitik ist aber eine Politik zur Reduzierung des Energieverbrauchs. Gerade in Immobilien fallen 40 % unseres Energieverbrauchs an. Es wird Zeit, dass in großem Umfang energetische Sanierung eingeleitet wird. Hier will ich die Stadtwerke als sozial verträglichen kommunalen Energie-Einspar-Contractor aufstellen. Dazu plane ich bis zu 100 Mio. Euro jährlich bereitzustellen. Das schafft Arbeit, Ausbildung, sinnvolle lokale Wertschöpfung, generiert Steuereinnahmen und schützt das Klima. Darüber hinaus will ich das SEE-Projekt tatsächlich mit Leben füllen und eine ambitionierte Energie-Roadmap für Stuttgart verabschieden. Bei Neubauten soll zukünftig der Plus-Energie-Standard gelten. Aber auch im Verkehrsbereich sind noch immens große Anstrengungen vonnöten, um Mobilitätsströme noch stärker auf umwelt- und klimaschonende Verkehrsträger zu verlagern. Deshalb will ich den Umweltverbund deutliche stärken. Das SEE-Projekt werde ich als OB zur Chefsache machen, gerne dürfen dabei die festgesetzten Ziele übertroffen werden.

2. Frage
In meiner langjährigen ehrenamtlichen Arbeit als Stadtrat habe ich immer eng mit den Initiativen und den Bürgerinnen und Bürgern zusammengearbeitet. Dieser Philosophie bleibe ich treu. Bei allen zentralen Vorhaben muss völlige Transparenz für BürgerInnen und Entscheidungsträger herrschen. Alle Alternativen gehören auf den Tisch. Deshalb habe ich immer mehr Geld für Planungs- und Beteiligungsprozesse eingefordert, dabei aber nie die Unterstützung der anderen Fraktionen gefunden. Die große Kompetenz der Verwaltung, der Verbände und der Initiativen wird gegenwärtig völlig vernachlässigt. Jahr um Jahr werden Millionen für Auftragsgutachten und „Expertisen“ an externe Beraterfirmen vergeben, anstatt die StuttgarterInnen zum tatsächlichen Mitmachen einzuladen und die riesige Kompetenz unserer Verwaltung zu nutzen. Diese Praxis von Schuster&Co ist eine Misstrauenserklärung an die eigene Stadtbevölkerung.

Alle großen Entscheidungen in Stuttgart, die einen generationenübergreifenen Einfluss auf das Leben der Menschen haben werden, sollen zukünftig durch Bürgerentscheide direktdemokratisch entschieden werden. Dem muss ein fairer Informations- und Meinungsbildungsprozess vorangehen. Zudem fordere ich einen richtigen und verbindlichen Bürgerhaushalt und öffentliche Haushaltsberatungen im Gemeinderat. Im Gegensatz zur momentanen Stadtspitze werde ich mich als OB nicht systematisch in meinem Büro verschanzen, sondern präsent und ein OB zum Anfassen sein. Für kluge und innovative Ideen zur Durchsetzung des Willens der StuttgarterInnen bin ich immer zu haben, z.B. die experimentelle Einsetzung von Planungszellen.
Besonders stört mich aber, dass Menschen die teilweise jahrzehntelang hier ihren Lebensmittelpunkt haben, Familien gründeten, zur Arbeit gehen und hier ihre Steuern zahlen trotzdem noch kein Wahlrecht besitzen. Ich will mich dafür einsetzen, dass auch Menschen aus Drittstaaten das Recht erhalten an Wahlen und Abstimmungen teilzunehmen.

3. Frage
Selbstverständlich braucht Stuttgart einen belastbaren Fahrplan bei der Konzessionsvergabe, denn langjährige Gerichtsverfahren zwischen Altkonzessionär EnBW und dem neuen Energieversorger über die Wegerechte nutzen niemandem und blockieren letztlich wichtige und notwendige Entscheidungen zur Energiewende in Stuttgart. Und diese Sicherheit können uns gegenwärtig nur die Spezialisten im Bundeskartellamt geben. Deshalb werde ich alle weiteren Schritte eng mit den Bundeskartellwächtern absprechen. Trotzdem kann es nicht sein, dass die Kommunen der momentanen Rechtsunsicherheit ausgesetzt werden. Hier ist der Gesetzgeber gefordert, klare und nachvollziehbare Regeln und Verfahren bei der Konzessionsvergabe aus Gesetz und Rechtsprechung abzuleiten. Die Kommunen müssen aber auch ein grundsätzliches Selbstbestimmungsrecht eingeräumt bekommen, deshalb werde ich mich als OB beim Gesetzgeber für die Option einer Direktvergabe der Konzessionen an rein kommunale Energieversorger stark machen.

4. Frage
Antwort: Diese Machtspielchen des EnBW-Managements sind ein letztes Aufbäumen des Energieriesen gegen die nahende Rekommunalisierung. Die Wasserpreise sind nachgewiesenermaßen deutlich überhöht und durch nichts zu rechtfertigen. Privatisierung, insbesondere bei natürlichen Monopolen, ist letztlich durch das Profitstreben für die Nutzer immer teurer, als wenn die Kommune selbst die Versorgung sicherstellt. Deshalb ist die Klage der Stadt völlig berechtigt. Grundsätzlich muss die Stadt alle gesetzlichen Möglichkeiten ausschöpfen um die Interessen der Bürgerinnen und Bürger gegenüber der EnBW durchzusetzen.
Das Wasser wurde bei der Privatisierungsorgie der großen Parteien mitsamt der Bezugsrechte quasi an die EnBW verschenkt. Ich will das Wasser zum Ertragswert zurückkaufen und in städtische Kontrolle zurückbringen. Dass die EnBW hier mit Tricks versucht den Preis für den Netz- und Anlagenrückkauf hochzutreiben ist unredlich und wird letztlich noch mehr Lack vom ohnehin schlechten Image des Atomkonzerns kratzen.

5. Frage
Der Oberbürgermeister muss den Interessen der Stadt verpflichtet sein. Er ist von den Bürgerinnen und Bürgern ins Amt gewählt und damit ihnen gegenüber rechenschaftspflichtig. Nur so funktioniert politische Repräsentation. Ich werde mich als OB dafür einsetzen, dass zukünftig nur noch Kommunen Mitglieder in den Zweckverbänden sein können. Bevor ich in Zweckverbänden eine Haltung einnehmen werde ich mir selbstverständlich vom Gemeinderat Weisungen einholen und alle Fragen offen und ehrlich diskutieren.
Für mich gilt: Wasser ist ein Grundnahrungsmittel und ein Grundrecht für jeden Menschen, deshalb hat das Profitstreben der Privatwirtschaft hier überhaupt nichts zu suchen.

6. Frage
Die desolate wirtschaftliche Lage der EnBW bietet den Beschäftigten keine sicheren Arbeitsverhältnisse mehr. Verliert die EnBW Konzessionen, so ist ein Betriebsübergang für die ArbeitnehmerInnen natürlich die beste Option. Ich werde mich als OB dafür einsetzen, dass beim Betriebsübergang faire Bedingungen geschaffen werden und die tariflichen Standards durch einen persönlichen Rucksack übertragen werden. Was Stuttgart aber nicht braucht ist ein politischer Wasserkopf für Lobbyisten und Versorgungspöstchen für handzahme PolitikerInnen mit den richtigen Parteibüchern.
Im Stadtwerk Stuttgart will ich die geltenden Tarife zur Anwendung bringen, niedrige Lohngruppen die kein existenzsicherndes Auskommen ermöglichen darf es aber nicht geben. Auch in der Stadtverwaltung setze ich mich für die Höhergruppierung dieser Beschäftigten ein.

7. Frage
Die Cross-Border-Leasing-Geschäfte der anderen Parteien waren kriminelle Steuerhinterziehungsmodelle die zu Recht nach kurzer Zeit verboten wurden. Den Gemeinderäten wurden damals tausende Seiten Verträge in juristischem Kauderwelsch vorgelegt. Man hat die Stadt und ihre Infrastruktur durch die ideologische Verblendung nach dem Motto „Privat vor Staat“ in größte Risiken gebracht ohne diese Geschäfte zu durchschauen oder die Verträge zu verstehen.
Ich setze mich deshalb für ein generelles gesetzliches Verbot von Zinswetten und transnationalen Spekulationen durch Städte und Gemeinden ein.
Bei einer Partnerschaftslösungen bei Netzen darf ausschließlich eine Dienstleistungsbeziehung beim Betrieb zustande kommen. Selbstverständlich muss dabei volle Transparenz zwischen den Partnern und gegenüber den Kunden gegeben sein. Ich setze mich allerdings für eine vollständige Rekommunalisierung ein, das heißt 100 % Netzbesitz und ein eigener Betrieb durch die Stadt, bzw. die Stadtwerke.

8. Frage
Mir schwebt als Ziel ein virtuelles Kraftwerk in Stuttgart und den umliegenden Landkreisen vor. Dezentrale Kleinerzeugungsanlagen müssen grundsätzlich Vorrang haben vor Großkraftwerken, auch aufgrund der großen infrastrukturellen Eingriffe. Windenergie ist bezüglich der niedrigen Strom-Erzeugungskosten ein zentraler Baustein, aber auch kleine KWK-Mikrogaskraftwerke, Fließwasserkraftwerke, die privilegierte Biomasse im Aussenbereich und die Photovoltaik. Und natürlich muss bei der Energie-Speicherung mehr Grundlagenforschung auch in der Region betrieben werden, z.B. für die Herstellung von Solar- und Windgas, damit man bald in die breite Anwendung übergehen kann. Bei der Gasversorgung erwarten Experten noch in diesem Jahrzehnt Verknappungstendenzen und deutliche Preissprünge, daher bin ich in Bezug auf ein GuD-Großkraftwerk eher skeptisch.

Interviews mit dem OB-Kandidaten Hannes Rockenbauch

Stuttgarter Nachrichten, 10.06.2012: Hannes Rockenbauch „S 21 ist Lehrstück für insgesamt falsche Politik“